AUSGABE: Oktober - Dezember 2018

In Richtung bargeldlose Gesellschaft?

Von Jerry Brownstein
Der Trend geht in Richtung einer bargeldlosen Gesellschaft, das beunruhigt Menschen in vielen Ländern, denn sie sorgen sich um ihre Privatsphäre und Sicherheit. Dass Banken und Regierungen die Finanzen komplett kontrollieren können, löst in vielen Menschen ein Gefühl der Unsicherheit aus. Aber in Schweden ist das anders, dort ist der Trend bereits mutiert und die Situation könnte als gutes Beispiel dafür dienen, welche Dynamik ein bargeldloses Zahlungssystem entwickeln kann. Schon jetzt begleichen weniger als 20 Prozent der Bürger ihre Einkäufe in Geschäften mit Bargeld. Insgesamt liegen die Bargeldtransaktionen bei gerade mal einem Prozent, in Europa und den USA ist die Quote mit sieben Prozent vergleichsweise höher. Hinzu kommt, dass man in Stockholm in Geschäften und Restaurants immer häufiger Schilder mit der Aufschrift „Wir akzeptieren kein Bargeld“ sieht. Dass Bargeld in Läden und Lokalen nicht mehr gern gesehen wird, hat zwangsläufig dazu geführt, dass der bargeldlose Zahlungsverkehr in der Gesellschaft zunehmend akzeptiert wurde. 

Selbst kleine Unternehmen stellen sich mithilfe von mobilen Kartenlesegeräten wie iZettle auf bargeldlose Geldtransaktionen ein. So können sogar Markt- und Straßenhändler Kartenzahlungen akzeptieren. Eine weitere schwedische Innovation ist die App Swish, die es Nutzern ermöglicht, Überweisungen über ihr Smartphone durchzuführen. Dabei können Kunden nur mittels ihrer Handynummer sicher Geld überweisen, an all diejenigen, die auch über diese App verfügen. Alles, was man dafür benötigt, sind ein Handy, ein schwedisches Bankkonto und eine Personalausweisnummer. Gerne wird diese App verwendet, um Geld an Freunde zu überweisen. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung nutzt sie bereits. 



Die meisten Bürger vertrauen den Banken, dies geht aus einer Studie der Schwedischen Zentralbank hervor. Aufgrund dessen konnte die Idee des bargeldlosen Zahlungsverkehrs im Land so schnell fruchten. Ein Großteil der Schweden fürchtet weder den „Big Brother“-Effekt, noch Betrügereien im elektronischen Zahlungsverkehr. Das alles mag für Schweden auch gelten, doch im restlichen Europa und den USA sollten sich die Bürger daran erinnern, dass es die Banken waren, die für den desaströsen Finanzcrash von 2008 verantwortlich waren. Zudem verliert man seine Freiheit, wenn jemand kontrollieren kann, ob man in der Lage ist, etwas zu kaufen oder nicht. Sicher war schon jeder einmal in der Situation, dass die Kreditkarte aufgrund eines Computerfehlers, eines Irrtums der Bank oder aus einer anderen unbekannten Ursache nicht funktioniert hat, obwohl das Konto gedeckt war. Wer dann kein Bargeld dabei hat, ist völlig hilflos. Und Sie sollten auch nicht vergessen, dass Regierungen oft Fehler machen und Ihre Karte einfrieren können – sollten Sie in solchen Situationen keine Alternative haben, sind Sie ein hilfloses Opfer. 

Wer seine gesamte finanzielle Sicherheit in die Hände von Banken und fehleranfällige Regierungen legt, scheint dumm zu sein. Deshalb nutzen Menschen in diversen Ländern nach wie vor Bargeld, um alltägliche Ausgaben zu begleichen. Allerdings sieht es danach aus, als würden junge Leute ihre Privatsphäre nicht allzu sehr schätzen, und sie scheinen sich nicht davor zu fürchten, irgendwann in Zahlungsnot zu geraten. Die meisten von ihnen haben kein Bargeld mehr dabei, sie zahlen selbst geringste Beträge mit der Karte. Doch selbst in Schweden steht nicht jeder hinter dem Trend des bargeldlosen Zahlungsverkehrs: Bjorn Eriksson, früherer Kommissar bei der Nationalpolizei und Interpol-Präsident, führt beispielsweise eine nationale Bewegung namens Cash Rebellion an. „Ein bargeldloses Zahlungssystem kann leicht durch Cyber-Attacken oder Regierungskontrollen gestört oder manipuliert werden. Eines Tages werden Ihre Karten plötzlich nicht mehr funktionieren, und niemand wird Ihnen sagen können, warum dies passiert. Dann werden Sie ohne Bargeld dastehen und nicht in der Lage sein, selbst die notwendigsten Dinge zu kaufen“, urteilt er. •