Frei von Stress
Von Jerry Brownstein
Der emotionale Stress, den uns das moderne Leben beschert, hat einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden und unsere Fröhlichkeit. Studien belegen, dass Stress ein Hauptgrund für Herzkrankheiten, Verdauungsprobleme, Autoimmunstörungen, chronische Schmerzen und zahlreiche Krebsarten ist. Wenn man gestresst ist, steigt der Blutdruck, das Immunsystem wird geschwächt und man altert schneller. Man sagt sich, beruhige und entspanne dich, nimm die Dinge, wie sie sind, aber diese guten Vorsätze in die Praxis umzusetzen, ist nicht leicht. Um Stress abbauen zu können, müssen wir erst einmal wissen, wodurch er ausgelöst wird – und warum er so präsent ist in der heutigen Welt. Wenn wir den Ursprung der Stressattacken erkennen, können wir bewusst Gegenmaßnahmen einleiten, die uns ermöglichen, Stress zu reduzieren und ein glücklicheres und gesünderes Leben zu führen.
Die Hauptursache für Stress ist unser Überlebensinstinkt. Wie jedes andere Tier reagiert auch das menschliche Wesen auf Bedrohungen, die unser Überleben gefährden könnten. Diesen Instinkt nennt man auch „Fight or flight“ (auf dt.: Kampf oder Flucht). Eine instinktive Reaktion des Körpers, der sich bei Bedrohungen darauf vorbereitet, sich entweder auf den totalen Kampf oder die sofortige und schnelle Flucht einzustellen. Und das funktioniert so: Wenn das Gehirn Gefahren signalisiert, wird Adrenalin und Kortisol in den Blutkreislauf eingespeist. Diese Stoffe lösen eine starke körperliche Reaktion aus: Der Blutdruck steigt, die Muskeln spannen sich an, die Atmung wird flach und schnell, man hört auf zu verdauen, das Immunsystem wird unterdrückt und alle Sinne sind in voller Alarmbereitschaft. Das bringt den Körperrhythmus komplett aus dem Gleichgewicht. Und dieser hält sie normalerweise gesund, indem er 90 Prozent seiner Energie für das Wachstum und die Erneuerung verwendet. Der Kampf- oder Fluchtinstinkt blockiert diese vitalen Funktionen und lenkt fast die gesamten Energien auf den zu erwartenden Ernstfall.
Dieser vorrübergehende Verteidigungsmechanismus ist in einem gefährlichen Umfeld fürs Überleben essentiell. Aber wird er nicht schnell beendet, führt er zu ernsten körperlichen Beschwerden und chronischen Krankheiten. Das Problem unserer modernen Gesellschaft ist, dass wir eigentlich nie wirklich abschalten können. Deshalb empfinden wir ständig Angst und Besorgnis. Für unsere Vorfahren war der Kampf- oder Fluchtinstinkt perfekt geeignet, wenn sie sich in lebensbedrohlichen Situationen befanden, in denen sie sich beispielsweise gegen ein gefährliches Wildtier wehren mussten. Ihr Körper bereitete sie in solchen Momenten auf den Kampf oder die Flucht vor, aber verschwand das Tier oder wurde getötet, entspannte sich der Urmensch. Die Stressreaktion löste sich auf. Seine Körperfunktionen normalisierten sich und kehrten in den normalen Zustand des Wachstums und der Erneuerung zurück. Doch in der heutigen Welt fühlen wir uns ständig bedroht, deshalb befindet sich unser Körper ständig im Kampf- oder Fluchtmodus.
Warum ist das so? Ein Grund ist, dass die Entwicklung unseres Überlebensinstinkts nicht Schritt gehalten hat mit der Evolution unseres denkenden Geistes. Zudem hat sich unsere Fähigkeit Gedanken zu visualisieren entwickelt, während sich unsere Art und Weise mit Bedrohungssituationen umzugehen, kaum verändert hat. Unser entwickelter Geist ist in der Lage, uns Bilder vorzugaukeln, die den „primitiven“ Teil unseres Gehirns ansprechen. Die Bilder werden als real wahrgenommen, Kampf oder Flucht werden signalisiert. Aufgrund dessen scheint es, als sei man einer kontinuierlichen körperlichen Bedrohung ausgesetzt. Ständig wird unser Überlebensinstinktsystem aktiviert, damit wir mit unseren Alltagsproblemen zurechtzukommen: Wie beispielsweise öffentliche Reden, schwierige Chefs, Verkehrsstaus etc. Die unermesslich hohe Anzahl an lebensbedrohlichen Situationen, denen wir im Alltagsleben begegnen, macht es so schwierig, Stressreaktionen abzustellen. Das führt dazu, dass in unserem Körper schädigende Stresshormone ausgeschüttet werden.
Dieses Problem zeigt sich vor allem, wenn sich Menschen darum sorgen, was in ihrem Leben passieren oder nicht passieren wird. Wenn man sich den Kopf darüber zerbricht, was in einer Situation alles schief gehen kann, wird der primitive Teil des Gehirns angesprochen und dort erscheinen diese negativen Gedanken als real. Denn dieser Teil des Gehirns kann den Unterschied zwischen der Realität und einem Gedankenkonstrukt nicht erkennen. Das Gehirn reagiert deshalb so, als sei das negative Ereignis bereits eingetreten, wodurch eine Stressreaktion ausgelöst wird. Kein Wunder also, dass es heißt: „Sich Sorgen zu machen, sei die schlechteste Art und Weise seine Vorstellungskraft zu nutzen.“ Ein anderer entscheidender Aspekt für Stress in unserer Gesellschaft ist die Medienberichterstattung, die vor allem zum Ziel hat, uns im Zustand der Furcht zu halten. Und das löst Stressreaktionen aus.
Die gute Nachricht ist, dass es viele bewährte Mittel gibt, um Stress zu reduzieren. Vielleicht ist der einfachste Weg, sich von Plätzen und Menschen fernzuhalten, die einem Stress bereiten. Machen Sie sich zuerst einmal bewusst, was Sie nervös macht oder aufregt (Verkehr, Menschenmassen, negative Nachrichten, grobe Menschen etc.), und dann sollten Sie die bewusste Entscheidung treffen, solche Plätze und Situationen zu meiden. Haben Sie das getan, wird es womöglich immer noch Stressmomente in Ihrem Leben geben, aber es gibt einfache Werkzeuge, die Ihnen helfen, damit gut umzugehen. Regelmäßige Übungen eignen sich bestens, um körperliche Stressreaktionen zu reduzieren. Egal, welche körperliche Betätigung Sie wählen, wichtig ist, dass Sie diese regelmäßig ausführen: Egal, ob Sie Yoga oder Qi Gong machen, ob Sie joggen oder ins Fitnessstudio gehen etc. Auch ein Spaziergang durch schöne Natur kann beruhigen und helfen, Stress zu mindern.
Aber am wichtigsten ist die Meditation – diese kraftvolle Praxis, die man leicht in sein Leben integrieren kann. Zahlreiche Studien belegen, dass Meditation Stress lindert und der körperlichen und geistigen Gesundheit zuträglich ist. Schon fünf Minuten Meditation täglich reichen aus, um den Geist zu beruhigen, den Körper zu entspannen und den Stressprozess umzukehren. Es ist ein Weg, ein tieferes Verständnis von innerem Frieden und Weisheit zu finden. •